10 Dezember 2005

Tribal Trekking Vol. 2

Worin ich darauf verzichte, die Orchideen-Farm und die Papier-Manufaktur zu beschreiben (in der man uebrigends aus Elefantenscheisse Papier machte). Auch auf die Beschreibung der Hoehle von Chiang Dao verzichte ich, obwohl diese wirklich sehr schoen war. Ich beschraenke mich lieber auf die Hautattraktion des gestrigen Tages.

Das Hilltribe-Dorf oder Im Menschen-Zoo

Wir brauchten ueber 4 Stunden von Chiang Mai aus, um anzukommen. Der Weg fuehrte durch die Berge, ganz nah an die Grenze von Burma heran. Die Attraktion der nordthailaendischen Trekking- und Tourismusbranche wartete auf uns - ein Dorf der Longneck-(Langhals-)Karen. Ein Abzweig von der Strasse, eine kurze holprige Piste, anhalten, aussteigen - das Hilltribe-(Bergvolk-) Dorf empfing uns. Ein staubiger Platz, dahinter Verkaufstaende. Buntgekleidete Frauen mit schwarzen Zaehnen winken uns heran. Wir sollen kaufen.
"Das sind nur Akha," sagt Lee, unser Reisefuehrer, mit abwertender Geste. "Die finden Sie hier ueberall. Die wollen nur verkaufen und gehen den Touristen auf die Nerven. Ignorieren Sie die einfach." Lee sprach, als wuerde er von Menschen minderer Guete sprechen.
Die Longneck-Karen sind der Grund, warum wir hier sind. Ein paar Meter hinter dem Akha-Dorf ist das Dorf der Karen. Vorher muessen wir an einem Posten vorbei, der von Lee eine Liste mit unseren Namen entgegennimmt. Hier kommt nicht jeder rein - und raus. Das Dorf das wir dann zu sehen bekommen besteht hauptsaechlich aus einem Platz, der von Verkaufsstaenden umzingelt ist. Gleich im ersten Stand sitzt eine Longneck-Frau, kichert als sie uns sieht, setzt dann aber ziemlich unbeeindruckt ihre Arbeit an einem Webstuhl fort. Der Name "Longneck" erklaert sich auf den ersten Blick: Die Frau traegt viele Ringe um den Hals, die ihn unnatuerlich in die Laenge ziehen. Ein merkwuerdiger Anblick, dabei sieht die Frau gar nicht haesslich aus. Der lange Hals aber macht sie irgenwie ... ja ... ausserirdisch.
Lee beginnt mit seiner Einfuehrungserklaerung. Die Longneck kommen aus Burma und sind erst seit ein paar Jahren in Thailand. Wegen des Buergerkrieges dort kamen sie ueber die Grenze und leben hier bis der Krieg irgendwann zu Ende ist. Dann koennen sie natuerlich jederzeit wieder zurueck. Die Tourismusbranche hilft ihnen mit Geld. Ein Teil der Einnahmen bekommen sie als Unterstuetzung. Alles was die NGO's (Nicht-Regierungs-Organisationen) sagen, dass die Karen als Touristenattraktion eingesperrt werden stimmt auf keinen Fall. Wir sollen das auf keinen Fall glauben. Alle wollen nur das Beste fuer die Hilltribes. Wirklich! Echt! Kannste glauben ...!

Die Wahrheit ist: Die Touristenorganisationen verdienen mit den Hilltribes, inbesondere mit den Longneck-Karen, ein Heidengeld. Taeglich werden hunderte von Touristen herangekarrt, die die Karen als Attraktion bestaunen. Laut meinem Reisefuehrer und laut Aussage eines tibetischen Menschenrechtsaktivisten, mit dem ich mich gestern abend noch unterhielt, duerfen die Karen das Dorf nicht verlassen. Sie sind gezwungen, mit den Touristnorganisationen zusammenzuarbeiten. Das Geld bekommen die Reisebueros, die Besitzer des Bodens, auf dem die Doerfer stehen und ein Teil geht an eine Rebellenarmee in Burma. Das Geld, was die Karen direkt durch den Verkauf von Souveniers verdienen, wird ihnen bei regelmaessigen Razzien der thailaendischen Polizei wieder abgenommen. Gleiches findet bei den meisten (bzw. allen) Bergstaemmen im Norden Thailands statt. Alle diese Informationen erhielt ich erst gestern abend von dem Tibeter, der mir auch einiges Informationsmaterial zu lesen gab. Als ich die Besuche buchte, wusste ich nichts davon - und die Reisebueros leugnen natuerlich alles.

Die Karen-Frauen selbst strahlen eine freundliche, stoische Ruhe aus. Sie laecheln, lassen sich fotografieren - was bleibt ihnen uebrig.
Mir blieb das schale Gefuehl, einen Menschenzoo besucht zu haben.