15 Januar 2006

Langsam reichts! - Letzter Eintrag!

Als gestern Abend der Bus ueber den Superhighway in die Stadt fuhr, wurde mir eines klar: Ich kann Bangkok nicht leiden! Der Beton, die Automassen, das Riesenhafte einer Grossstadt geht mir auf den Geist.
Das bedeutet: ich werde hier, an der Khaosan Road, in der Zeit bis zum Abflug abhaengen, in einem (oder verschiedenen) Cafe(s), lesen und dabei das bunte Volk beobachten, das vor meiner Nase vorbeimarschiert, mir meine Gedanken ueber Uralthippies machen mit ausgezehrten Gesichtern, langen grauen Haaren, Batik-T-Shirts aus den fruehen Siebzigern, die auf Ho-Chi-Minh-Sandalen an mir vorbei schlurfen, werde vielleicht noch ein bischen was einkaufen, mich dazu aber aus dem Stadtviertel Banglampu nicht herausbewegen, denn jede neue Sehenswuerdigkeit, der ich begegnen wuerde, haette sicherlich schwere psychische Schaeden zur Folge ... und schwitzen werde ich ohne Ende, denn hier herrschen aeusserst tropische Temperaturen, was Euch zu Hause sicher neidisch macht, mir aber auf die Nerven geht, so sehr, dass ich mich schon auf das heimische Schmuddelwetter freue. Langsam reichts naemlich!

Dieses ist, sollte nicht irgenwas aussergewoehlich Ueberraschendes passieren, der letzte suedostasiatische Eintrag in dieses Weblog! Vielen Dank an alle, die die Zeit gefunden haben, an meinen Erlebnissen ein wenig teilzuhaben.
Fuer mich war das Ganze sehr wichtig, denn dieses Blog verband mich alle paar Tage mit Zuhause und gab mir das Gefuehl, dass Ihr irgendwie mit mir auf die Reise gegangen seit - wenn auch nur schriftlich durch unendlichen Weiten des Internets. Mir hat das Schreiben des Berichte viel Spass gemacht - hoffentlich genausoviel wie Euch das Lesen.
Wir sehen uns bald - in der Kaelte.
Euer BURKHARD

12 Januar 2006

Angkor, oder Wat

In Suedostasien gibt es zwei Dinge in Massen: Tempel und Mopeds. Was bot sich da mehr an, als sich mit einem Moped zu einem Tempel fahren zu lassen - und zwar nicht zu irgendeinem Tempel: ich spreche von Angkor Wat! Das ist nach dem Taj Mahal der beruehmteste Tempel Asiens. Weltkultuererbe der Menschheit! Und das wollte ich unbedingt bei Sonnenaufgang sehen.
Das bedeutete: Aufstehen um 4:45 Uhr in der Fruehe und dann ohne Kaffee und irgendwas im Bauch auf den Ruecksitz einem Mopeds geschwungen und raus in den kuehlen Morgen. Ueber uns der Sternenhimmel, unter uns die Strasse und uns entgegen weht der Wind und faehrt uns in die duennen Klamotten. Trotz des Knatterns des Mopeds hoehre ich, wie der Fahrer mit den Zaehnen klappert.
Wir sind nicht allein auf der Strasse. Moped ueberholt rechts, Tuk-Tuk von links. Dann zeichnet sich undeutlich Schwarz auf Dunkelblau die Silhoeuette von Angkor Wat gegen den Himmel ab. Hunderte von Neugierigen stehen auf der streng nach Osten ausgerichteten Prozessionsstrasse und warten. Trotz der vielen Menschen ist es erstaunlich ruhig, bis dann zwei Reisebusse mit Japanern ankommen. Froehliches Blitzen und Lachen. "Konichiwa, Angkor Wat!" oder so aehnlich.
Der Himmel faerbt sich roetlich. Langsam schaelen sich die Umrisse des Tempels aus der Dunkelheit. Es ist beeindruckend, trotz der vielen stoerenden Blitzlichter. Mit gebotener Ehrfurcht und unter gelegentlicher Benutzung meines Fotoapparates naehere ich mich Angkor Wat. Es stimmt, was im Reisefuehrer steht: Auf diesen Anblick ist man wirklich nicht vorbereitet. Kein Foto kann das wiedergeben. Dann bin ich drin und es wird richtig hell und ich seh mich um und ich freue mich.
Angkor Wat ist nur der erste Tempel, den ich heute sehe. Es folgen sechs weitere, nur unterbrochen durch Fruehstueck (endlich Kaffee!) und Mittagessen. Da mir die Gerichte auf der Speisekarte meistens unbekannt sind, habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, das mit dem interessantesten Namen zu nehmen. Heute gab es "Amok" zum Mittag! Aber mir geht es immernoch gut.
Ungefaehr acht Stunden lang sah ich mir die verschiedensten Tempel und Tempelruinen an - in allen Groessen und Stufen des Verfalls. Dann war es aber auch gut.
Kurz bevor ich wieder in die Stadt zurueck fuhr, traf ich John aus England, mit dem ich im Bus nach Siem Reap gekommen war. Er fragte, welche Tempel ich mir noch ansehen will. Ich antwortete: "Not today, I'm over-templed!"

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Informationen
Morgen geht es mit dem Tempel-Wahnsinn weiter. Noch etwa 8 Tempel stehen auf dem programm. Danach kann ich vermutlich keine Tempel mehr sehen.
Uebrigends: Nach Hue und Hoi An traf ich heute zum drittem Mal zufaellig den Norbert ("Norex") aus Leipzig mit seiner Reisegruppe. Durch irgendein Schicksal scheinen wir miteinander verbunden zu sein ...
Am Samstag geht es dann, wenn nichts dazwischen kommt, nach Bangkok zum Einkaufen.

09 Januar 2006

Motorcycle Diaries

5. Januar 2005 - Donnerstag
Vietnam, das Zentrale Hochland - auf einem Motorrad. Hung faehrt, ich sitze hinter ihm und hinter mir ist mein riesiger Rucksack fachgerecht festgeschnallt. Musik von Steppenwolf geht mir durch den Kopf.
"Get your motor runnin' - Head out on the highway - Lookin' for adventure - And whatever comes our way!"
Die Landschaft rast an uns vorbei. Kiefernwaelder, Felder, Kaffeeplantagen, Doerfer. Es geht gewundene Strasen ueber Gebirgspaese - rauf und wieder runter. Der Himmel ist blau, ein paar Wolken, hinter dem naechsten Pass staut sich der Regen. Es wird dunlkel. Tropfen prasseln auf die Helme. Dann kommt die Sonne wieder raus.
Das Motorrad: ein malaysisches Produkt, der Nachbau einer Honda mit dem originellen Namen "Handa", 125 ccm, Reisegeschwindigkeit ca. 60 km/h. Es kommt mir schneller vor.
Ab und zu bleiben wir stehen. Hung erklaert mir einiges zur Gegend. Viele der Huegel sind kahl, nur mit schuetterem Gras bewachsen. Frueher, vor 1962, war hier dichter Dschungel. Amerikanische Piloten gestalteten dann die Gegend mit Hilfe von Napalm und "Agent Orange" etwas uebersichtlicher, damit sie den Vietcong besser sehen konnten - doch der Vietcong wich aus oder grub sich ein.
Wir halten in Doerfern der Minderheiten, "Montagnards" genannt. Sie lebten frueher als Halbnomaden in den Bergen. Nach dem Krieg wurden sie von der Regierung zur Sesshaftigkeit gezwungen, weil viele von ihnen mit den Amerikanern zusammen gearbeitet hatten. Heute bedeutet das: Armut pur!
Der Tag endet am Lak-See, dem groessten See des Zentralen Hochlandes. Huebsch im Sonnenuntergang.

6. Januar 2006 - Freitag
Der Tag beginnt mit dem weiteren Besuch eines Minderheitendorfes. Dieses ist offiziell von der Regierung zur Besichtigung frei gegeben. Pfahlbauten, davor sitzen Frauen und gehen ihrer Arbeit nach. Huehner und Schweine laufen herum und ueberall junge Hunde. Der Boden des Dorfes ist gefegt. Es ist kein Museumsdorf. Hier wird normal gelebt und gearbeitet, aber es gibt Andenkenlaeden und wenn man will, dann kann man auf einem Boot ueber den See fahren oder auf einem Elefanten reiten. Ich will nicht - Boot und Elefant hatte ich schon.
Dann fahren wir fast Non-Stop nach Buon Ma Thuot, der groessten Stadt des Hochlandes. Das einzig interessante, was es ueber den Ort zu sagen gibt ist, das es die erste Stadt Suevietnams war, die von den Nordvietnamesen erobert wurde. Daran erinnert ein haessliches Denkmal im Stadtzentrum. Sonst: haesliche Neubauten, staubige Cafes und Restaurants, nur wenige Touristen verirren sich hier her.
Der Grund, warum ueberhaupt Touristen nach Buon Ma Thuot kommen, liegt ein paar Kilometer ausserhalb. Hung kuendigt eine 'Trekking-Tour" an und faehrt mich an einen Fluss, an dem entlang ein Weg fuehrt. 7 Kilometer bis zu einem Restaurant. Dort wartet er dann auf mich. "Viel Spass!"
Schon nach wenigen Metern frage ich mich, was das soll. Der Weg ist betoniert und von leeren Plasteflaschen gesaeumt. Der Wald ringsum sieht krank aus. Der Fluss ist braun, auf der anderen Seite Felder. Es ist heiss. Der Wald endet und der Weg fuehrt weiter durch Felder. Aus einem winzigen Farmhaeuschen rennt eine wilde Meute Hunde auf mich zu, fletscht die Zaehne und kommt meinen Waden erschreckend nahe. Mir wird ploetzlich klar, warum mir Hung einen
Stock in die Hand gedrueckt hat. Mit Muehe kann ich meine Haut retten. Das wilde Knurren der Hunde verfolgt mich noch weiter, wird dann aber von Rauschen ueberdeckt. Ein Wasserfall. Und der ist wirklich ziemlich spektakulaer! Ploetzlich finde ich es gut, den Weg gegangen zu sein und beschliesse, Hung doch keine Vorwuerfe zu machen.

7. Januar 2006 - Samstag
Wir folgen dem Ho-Chi-Minh-Pfad in Richtung Sueden. Er ist mittlerweile eine gut ausgebaute asphaltierte Strasse, die das Zentrale Hochland mit Saigon verbindet. Hier gibt es kaum Wald. Auf einem Huegel steht ein Denkmal aus Beton. An dieser Stelle traf im Jahre 1960 der noerdliche mit dem suedlichen Ho-Chi-Minh-Pfad zusammen. Schwere Kaempfe fanden statt. Hunderte liessen ihr Leben - auf beiden Seiten. Heute stehen rechts und links der Strasse kleine Doerfer. Die Haeuser sind mit roten Schindeln gedeckt. Hung erklaert, dass hier Menschen leben, die aus dem Norden umgesiedelt wurden. Vor fast jedem Haus weht die vietnamesische Fahne: gelber Stern auf rotem Grund.
Pause an einer Raststaette im Wald. In einer Art Zelt findet eine Hochzeit statt. Das Paar kommt unter dem Jubel der Verwandten und Freunde aus einem winzigen Holzhaus. Es ist eine gute Zeit fuer Hochzeiten, erklaert mir Hung. Die Sterne stehen guenstig. Das ganze Land scheint zu heiraten. In jedem Ort durch den wir kommen findet mindestens eine Hochzeit statt.
Der Tag endet in Dong Xoai. Hier kommen nie Touristen hin. Ich werde auf angegafft wie ein Weltwunder.

8. Januar 2006 - Sonntag
Der Tag hat zwei Ziele: die Tunnel von Cu Chi und Saigon, das offiziell Ho-Chi-Minh-Stadt heisst. Beide Ziele sind beindruckend.
In Cu Chi besichtige ich ein Tunnelsystem des Vietcong aus den 60er Jahren. Da ich nicht mit einer Reisegruppe gekommen bin, habe ich das Glueck, die Tunnel relativ ungestoert besichtigen zu koennen. Nur noch ein Australier und sein vietnamesischer Freund gehoeren zu meiner Gruppe, die von einem Soldaten angefuehrt wird. Um es gleich zu sagen: das war keine Besichtigung - das war eine Erfahrung!!
Wir kriechen unter der Erde herum. Die Tunnel sind vieleicht 1,20 m hoch und 40 cm breit. Es ist heiss und dunkel. Die einzige Moeglichkeit fuer mich, mich fortzubewegen, ist auf allen Vieren. Dann kommt eine unterirdische Kueche. Raus aus dem Bau. Luft schnappen. Wieder nach unten: Tunnel - dann Kommandoraum - raus - wieder runter - Tunnel - Feldlazarett ... so geht es fast eine Stunde. Ich bin voller Erde, schwitze wie ein Schwein und sehe wahrscheinlich auch so aus. Der Soldat freut sich. Er sieht immer noch wie aus dem Ei gepellt aus. Kunststueck - der Typ ist maximal 1,55 m. Nach einer guten Stunde ist die Fuehrung vorbei und ich bin froh, nie dem Vietcong angehoert zu haben.
Saigon kuendigt sich dadurch an, dass die Strassen breiter werden und der Verkehr zunimmt. Dann kommt die Stadt und mit ihr das Chaos. Tausende, wahrschinlich hunderttausende Motorraeder und Mopeds machen mehr Laerm als eine ganze Armee von Hubschraubern. Zweiraeder haben eine extra Spur auf dem Superhighway in die Stadt. Rad an Rad, Knie an Knie draengelt die Masse vorwaerts. Es gibt nur eine Regel: Beruehren ist verboten! Ansonsten funktioniert der Verkehr als sich selbst regulierendes chaotisches System. Rechts wird ueberholt, links wird ueberholt, ploetzlich kommt eine Fahrradrikscha entgegen, der Fahrer vor uns beschliesst spontan anzuhalten, Vollbremsung, weiterfahren - um einen Bus herum. Ein alte Frau in schwarzer Tracht mit konischem Reishut tippelt durch den Verkehr ueber die Strasse - und nichts passiert ihr. Sie ist ein Fels in der Brandung mit Hut auf dem Kopf. Ich schwimme im Adrenalin und bin froh, als ich endlich im Hotel einchecke und das Chaos hinter mir habe.

Und was bleibt von der Fahrt? Die Erinnerung an eine wunderschoene Landschaft und freundlich laechelnde Menschen, viele Fotos - und, nach vier Tagen auf dem Ruecksitz eines Motorrades, Schwielen am Arsch.

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Informationen
Heute sehe ich mir ein bischen von Saigon an. Morgen fahre ich dann nach Kambodscha, bleibe eine Nacht in Phnom Penh, um dann am naechsten Tag weiter nach Siem Reap zu fahren, wo die Ruinen von Angkor auf mich warten.

04 Januar 2006

Easy Rider

Ich sitze vor dem Hotel in Da Lat. Blauer Himmel. Sonne. Endlich. Es knattert. Ein Motorrad haelt direkt vor mir. Es ist Hung - puenktlich auf die Minute. Ich steige auf. Hren-hreng-hreeeeeeeeeeeng. 6 Stunden Da Lat und Umgebung.
Hung hatte ich gestern abend getroffen. Das uebliche Anquatschen auf der Strasse: "Hey Sir, Mottobike?" Ich hatte gerade eine 7-Stunden-Fahrt im Bus von Nha Trang nach Da Lat hinter mir. Ich war genervt und erinnerte mich noch gut genug an mein letztes Erlebnis mit einem "Mottobike". Hung war schon der zweite innerhalb von 10 Minuten, der mit mir rumfahren wollte. Er erklaerte mir, dass er zu den "Easy Riders" von Da Lat gehoert, einer Gruppe von Motorradfahrern die Trips mit Touristen machen - abseits der ausgetretenen Pfade des Massentourismus. Das klang interessant, hat aber seinen Preis. Ich wollte mich nicht gleich entscheiden, vertroestete ihn auf heute frueh um acht.
Hreeeeeeeeng-hreeeeeeeeng-rrrrrrrrr-tuktuktuk. Die Drachenpagode ist unser erster Halt. Offensichtlich die buddhistische Antwort auf den Saurierpark von Klein Welka. Eher lustig. Hung erklaert mir ein bisschen was zur Pagode. Es ist nicht das uebliche "Veeely bootyfool!" das man normalerweise von Motorradguides zu hoeren bekommt. Ich bin ueberrascht. Positiv!
Es folgt der bisher tollste Ausflug meines Urlaubs. Raus aus der Stadt. Hung erzaehlt vom Vietnamkrieg und den Kaempfen rund um Da Lat, zeigt mir ein paar Ruinen, erklaert wo welche Einheiten gelegen haben. Aber ich lerne nicht nur etwas ueber den Krieg. Ich kann miterleben, wie Seide hergestellt, Kaffee geroestet und Reisschnaps destilliert wird. Und zwischendurch immer mit dem Motorrad durch die angenehme Gebirgsgegend, die ein bischen an den Harz erinnert. Wind in meinem Haar.
Hreeeeeeeeeeng! Lecker Mittagessen. Hreeeeeeeng! Wasserfall ansehen. Hreeeeeeeng! Zurueck nach Da Lat - das "Crazy House" ansehen. Hreeeeeeeeng! Zurueck ins Hotel. Whow, was fuer ein Tag. Der 20. Film in diesem Urlaub ist belichtet!
Und morgen geht es weiter, ins vietnamesiche Zentrale Hochland. 4 Tage. Am Sonntagabend bin ich in Saigon. Bis dahin gibt es wahrscheinlich keinen Internetanschluss weit und breit.

Geduld, liebe Freunde, Geduld!

02 Januar 2006

Moped in Nha Trang

Nha Trang ist ein Badeort. Er hat 250 000 Einwohner und so gut wie keine Sehenswuerdigkeiten - ausser dem Strand. Hier sollen sich schon vor 5000 Jahren irgendwelche Ureinwohner gesonnt haben, danach kamen die Cham, dann die Viet, die Franzosen und auch GI's wurden hierher zuer Erholung geschickt, um dann den Vietcong noch besser bekaempfen zu koennen. Hat nicht wirklich funktioniert. Heute sitzt der Vietcong mit seinen Freunde am Strand.
An diesem Strand habe ich den gestrigen Neujahrstag verbracht. Der Himmel war zum groessten Teil grau, aber alle paar Minuten kam die Sonne raus und brannte mir auf den ungeschuetzten Pelz. Ich unterschaetzte die Kraft der tropischen Sonne total und vergass ausserdem, dass mein Anti-Malaria-Mittel die Haut sensibilisiert. Das Ende vom Lied: ich habe einen fiesen Sonnenbrand auf dem Bauch, auf den Schultern und im Gesicht. Geschieht mit recht.
Klug geworden, habe ich mich heute reichlich mit Sonnencreme eingeschmiert. Vollkommen unsinnig, wie sich herausstellte, denn offensichtlich ist die Regenzeit doch noch nicht ganz vorbei. Ich sass also heute wieder am Strand. Grauer Himmel, graues Meer. Unkonzentriertes Lesen. Es knattert neben mir. Charly auf dem Moped!
Das Moped hat das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel abgeloest. Mopeds ueberall. Geht man durch die Stadt, wird man alle 2 Minuten angequatscht: "Hello Sil! Mottobike! Velly cheap!!" Meine Hauptkonversation besteht in den Worten "No, thank you!!" Manchmal kommen natuerlich auch Kinder und fragen anch meinem Namen und wo ich herkomme, versuchen dann, meinen Namen auszusprechen um dann gleich zu beteuern, dass Bayern Munich eine tolle Fussballmannschaft ist. Ende des Gespraeches und der Vokabelkenntnisse ... fast, denn meistens moechten die lieben Kleinen noch Postkarten verkaufen.
Aber wir waren bei Mopeds. Neue Mopeds. Honda. Nicht billig. Muss sich natuerlich rentieren. Also: Touristen abziehen. Ein Vorurteil - ich weiss ...
Charly auf dem Moped sagt mir seinen Namen, den ich sofort wieder vergesse. Ich sage meinen Namen, den er versucht zu wiederholen und dann nie wieder gebraucht. Stadtrundfahrt. Eine Stunde. Okay. 50 000 Dong. Das sind knapp 3 Euro. Okay. Die 3 Sehenswuerdigkeiten abklappern, die Nha Trang ausser dem Strand noch hat.
Nummer 1: die Cham-Tuerme Po Nagar stammen aus dem 7. bis 10. Jahrhundert, sind aus roten Ziegeln und viel weniger spektakulaer als ich eigentlich vermutet hatte. Vielleicht haette ich sie bei Sonnenschein ohne Sonnenbrand besser gefunden. 10 Minuten rumknipsen, dann zurueck zum Moped - das gerade repariert wird. Der Hinterreifen hat ein Loch. Der Fahrer und ein anderer Typ sind schwer beim Arbeiten. Mir wird ein oller Plastestuhl zum Sitzen angeboten. Die Zeit vergeht. Ich beobachte das Treiben an einer stark befahrenen Kreuzung und inhaliere Massen an Abgasen. Nach 20 Minuten stehe ich auf, sage zum Fahrer "Bye!" und gehe meiner Wege.
Zwei Minuten spaeter ist der Fahrer neben mir - mit Moped. Ich lasse mich ueberreden. Zur naechsten Attraktion durchs Strassengewuehl und den Mopedverkehr. Kamikaze. Verkehrsregeln existieren nicht. Rechts - links - mitten durch. Hauptsache, es wird laut genug gehupt. Ueberraschenderweise funktioniert das Prinzip Chaos im Strassenverkehr.
Nummer 2: der weisse Buddha sitzt auf einem Berg ueber der Long Son Pagode und ist wirklich strahlend weiss. Knapp 200 Stufen geht es nach oben. Nette Aussicht. 15 Minuten rumknipsen, dann wieder nach unten zum Moped - das weg ist - mal kurz zum Reparieren. Wieder Warten. Knattern - Moped - aufsteigen.
Nummer 3: die Kathedrale sieht aus wie aus dem Betonbaukasten des Vatikan - grau und haesslich; im Stil eine Art asiatische Neogotik, wenn es sowas gibt. Das Moped schafft den Anstieg zum Huegel der Kathedrale nicht und jammert wie eine gefolterte Katze. Ich gehe zu Fuss. Das Innere ist so wie das Aeussere. Ich moechte kein Katholik in Vietnam sein. Drinnen sitzen jedoch ein paar von denen und leiern katholische Mantras herunter. Zurueck zum Moped. Zurueck zum Strand.
Es geht ans Bezahlen. Charly macht mich darauf aufmerksam, dass wir ja laenger als eine Stunde unterwegs wahren (1 Stunde 15 Minuten, um genau zu sein) und dass der Preis jetzt bei 160 000 Dong ist. Ich bin nicht ueberrascht, aber sauer. Charly lenkt ein. "Okay: happy new year! 100 000 Dong." Ich gebe ihm die ausgemachten 50 000 und gehe meiner Wege.
Ich hasse es, wenn Vorurteile bestaetigt werden.

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Informationen
Morgen fahre ich mit dem Bus nach Da Lat. Das ist im Gebirge auf dem halben Weg nach Saigon, wo ich dann vermutlich in 3 Tagen bin. Vielleicht ist dort das Wetter besser. Hier regnet es gerade mal wieder.

29 Dezember 2005

Der Wolkenpass

Regenzeit in Hue! Fahrrad- und Motorradfahrer verstecken sich unter feuchtglaenzenden Regencapes. Die Tropfen machen "Klack!" auf Wellblech und Autos, "Platsch!" in Pfuetzen und Rinnsalen, "Klock!" auf der Kaputze meiner Regenjacke. Das Geraeusch des Regens mischt sich mit dem Knattern des Verkehrs. Regenzeitmusik in moll. Der graue Himmel spiegelt sich in den grauen Fluten des Parfuem-Flusses. Es ist an der Zeit, Hue zu verlassen.
Eine Armada von Bussen faehrt Richtung Sueden. Der Wolkenpass, kurz vor Da Nang, ist die Klimagrenze, die Nord- und Suedvietnam voneinander trennt.
Der Wolkenpass!
Die Armada schraubt sich nach oben. Der Himmel haengt in den Bergen. Der Bus durchdringt eine Nebelwand. Waschkueche, dann ploetzlich - strahlende Sonne. Lachende Kinder mit wehenden roten Pionierhalztuechern stehen an der Strasse, lachen und winken. Weisse Friedenstauben flattern in den azurblauen Himmel ... so zumindest habe ich es mir vorgestellt, aber der Himmel scheint eher dunkler geworden zu sein. Und das kann nur eins bedeuten: der Wolkenpass liegt noch vor uns. Ich habe recht.
Das Meer zur Rechten, neue Berge voraus. Wieder nach oben, wieder durch Wolken. Eine Passstrasse. Kann das sein? Ist der Himmel wirklich heller geworden? Die Frage muss nach Hinten gestell werden, denn es geht durch einen Tunnel, einen ganz besonders langen Tunnel und mehr als das Klima beschaeftigt mich ploetzlich die Frage: Was passiert, wenn mitten im Tunnel ein Oeltransporter mit einem Castorbehaelter zusammenstoesst? Werde ich rechtzeitig den Notausgang erreichen? Wird die Sicherheitstuer schlell genug offen sein? Werde ich unverletzt durch den Nottunnel nach draussen klettern koennen? Und wie wird das Wetter draussen sein?
Die letzte Frage wird dann endlich beantwortet, als wir den Tunnel nach etwa 20 Minuten verlassen. Ein grandioser Anblick! Ueber dem Wolkenpass stossen die Regenwolken aus dem Norden mit den Regenwolken aus dem Sueden zusammen und geben direkt an der Beruehrungslinie die Sicht auf ein paar wenige Stuecken blauen Himmel frei ... aber Da Nang und das Meer sind grau.
Regenzeit in Hoi An.
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Informationen
Vor etwa einer Stunde bin ich in Hoi An angekommen. Es regnet nicht, aber der Himmel ist grau - und ganz ehrlich: das Wetter ist mir relativ egal. Ich habe trotzdem jede Menge Spass und sehe mir viele interessante Sachen an.
Uebrigends: gestern abend habe ich mit Norex aus Leipzig in Hue ein Bierchen getrunken. Die Welt ist klein.
Noch was: Offenbar ist es nicht moeglich, meinen Blog in Vietnam aufzurufen. Ich kann zwar Texte schreiben, mir die fertige Seite aber nicht ansehen. Moeglicherweise werden Blogseiten von der Regierung gesperrt, das sich hierueber eine Opposition organisieren koennte. Fuer mich bedeutet das konkret, dass ich mir Eure Kommentare nicht ansehen kann. Wenn Ihr mir etwas mitteilen wollt, dann nutzt bitte meine yahoo-email-Adresse.

27 Dezember 2005

Charlys Spiel

Ich uebertrat die Grenze nach Vietnam gestern morgen gegen 0 800. Charly machte Probleme. Psychologische Kriegfuehrung. Beinharte Typen in Uniform. Schmuckloses Gebaeude. Zollkontrolle. Passkontrolle. Das ganze Programm! Doch die hatten nicht mit mir gerechnet. Das Gesicht zum steinharten Pokerface gefrohren reichte ich dem Uniformierten meinen Reisepass. Blaettern. Verzweifeltes Suchen auf einem Computerbildschirm. Nichts! Bei mir wird Charly nie etwas finden! Ich beherrsche das Spiel! Resigniertes Stempeln. Dann war ich drin - in Vietnam.
Ein Gebirgspass bei Duc Tho. Nebel. Nieselregen. Kaelte. Neben mir steht Yoshi aus Okinawa. Er laechelt. Er war schon mal in Dresden. Guter Mann! Dann komm der Bus. Der Bus nach Da Nang. Die erste Bewaehrungsprobe fuer meine Tarnung. Ich bin als 1,92 m grosser, baertiger, brilletragender Vietnamese verkleidet, der eine Trainingsjacke traegt und die Landessprache nicht spricht. Ich frage den Busfahrer in gebrochenem Englisch, ob er nach Hue faehrt. Er laechelt. Das undurchdringliche Laecheln des VietCong. So nah war ich ihm noch nie. Aber ich spiele das Spiel. Es war ein Spaziergang: rein in den Bus, hinsetzen, mit gespieltem Interesse aus dem Fenster sehen und alle Fragen mit Nicken beantworten.
Die Fahrt dauert 12 Stunden - durch eine Hoelle von Nebel und Nieselregen. Es wird Nacht. Noch 20 km bis Hue. Der Fahrer haelt. An einem Rastplatz. Irgendwo im Nichts. Yoshi und ich steigen aus. Das ist Charlys Land. Hier gelten seine Regeln. Der Bus faehrt ab.
Wir sind allein. Maenner kommen. Doch ich spiele das Spiel. Ich feilsche um den Preis. 4 US Dollar pro Person. Das ist Charlys Preis fuer eine Fahrt nach Hue. Auf einem Moped. Das Geschaeft ist perfekt. Der Fahrer klemmt mein Marschgepaeck zwischen Knie und Lenker. Ich sitze hinter ihm. Knatternd fahren wir durch die Dunkelheit. Yoshi auf Moped 2 hinter mir. Immer nah dran. Rueckendeckung.
Fuenfzehn Minuten spaeter. Hue. Vor einem Hotel, das Charly ausgesucht hat. Es ist zu teuer. Doch ich checke ein. Denn eins ist mir klar: Ich spiele das Spiel - Charlys Spiel.