27 Dezember 2005

Charlys Spiel

Ich uebertrat die Grenze nach Vietnam gestern morgen gegen 0 800. Charly machte Probleme. Psychologische Kriegfuehrung. Beinharte Typen in Uniform. Schmuckloses Gebaeude. Zollkontrolle. Passkontrolle. Das ganze Programm! Doch die hatten nicht mit mir gerechnet. Das Gesicht zum steinharten Pokerface gefrohren reichte ich dem Uniformierten meinen Reisepass. Blaettern. Verzweifeltes Suchen auf einem Computerbildschirm. Nichts! Bei mir wird Charly nie etwas finden! Ich beherrsche das Spiel! Resigniertes Stempeln. Dann war ich drin - in Vietnam.
Ein Gebirgspass bei Duc Tho. Nebel. Nieselregen. Kaelte. Neben mir steht Yoshi aus Okinawa. Er laechelt. Er war schon mal in Dresden. Guter Mann! Dann komm der Bus. Der Bus nach Da Nang. Die erste Bewaehrungsprobe fuer meine Tarnung. Ich bin als 1,92 m grosser, baertiger, brilletragender Vietnamese verkleidet, der eine Trainingsjacke traegt und die Landessprache nicht spricht. Ich frage den Busfahrer in gebrochenem Englisch, ob er nach Hue faehrt. Er laechelt. Das undurchdringliche Laecheln des VietCong. So nah war ich ihm noch nie. Aber ich spiele das Spiel. Es war ein Spaziergang: rein in den Bus, hinsetzen, mit gespieltem Interesse aus dem Fenster sehen und alle Fragen mit Nicken beantworten.
Die Fahrt dauert 12 Stunden - durch eine Hoelle von Nebel und Nieselregen. Es wird Nacht. Noch 20 km bis Hue. Der Fahrer haelt. An einem Rastplatz. Irgendwo im Nichts. Yoshi und ich steigen aus. Das ist Charlys Land. Hier gelten seine Regeln. Der Bus faehrt ab.
Wir sind allein. Maenner kommen. Doch ich spiele das Spiel. Ich feilsche um den Preis. 4 US Dollar pro Person. Das ist Charlys Preis fuer eine Fahrt nach Hue. Auf einem Moped. Das Geschaeft ist perfekt. Der Fahrer klemmt mein Marschgepaeck zwischen Knie und Lenker. Ich sitze hinter ihm. Knatternd fahren wir durch die Dunkelheit. Yoshi auf Moped 2 hinter mir. Immer nah dran. Rueckendeckung.
Fuenfzehn Minuten spaeter. Hue. Vor einem Hotel, das Charly ausgesucht hat. Es ist zu teuer. Doch ich checke ein. Denn eins ist mir klar: Ich spiele das Spiel - Charlys Spiel.

1 Comments:

At Montag, Januar 09, 2006, Blogger Diskobronsen said...

Charlie war ein Slang-Ausdruck, der von den US-Streitkräften für den Feind im Vietnamkrieg verwendet wurde. Entstanden ist diese Bezeichnung aus der Kurzform von Victor Charlie, der Abkürzung des NATO-Alphabets für den Vietcong.

 

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